Der Mord
 

Sie betritt das Haus durch den Kellereingang und geht schwer bepackt mit zwei großen Einkaufstüten die Treppe hinauf zum Erdgeschoss. Erleichtert stellt sie die Sachen im Flur ab und will gerade ihren Schlüsselbund an den dafür vorgesehenen Haken hängen, als ein Geräusch ihre Aufmerksamkeit erregt. 

Sie hält inne und konzentriert sich völlig auf ihre Umgebung. Da, schon wieder: Der Laut kommt eindeutig aus ihrem Schlafzimmer: Irgendetwas oder irgendjemand macht sich dort zu schaffen. Sie blickt sich kurz um, denn ohne passende Waffe will sie ihrem Gegner keinesfalls gegenübertreten. Mit leisen Schritten schleicht sie zur Flurkommode, wo sie schließlich das ideale Werkzeug findet. Es liegt wirklich gut in der Hand und probehalber holt sie damit aus: Ja, damit wird es gehen. Erneut hört sie das markante Geräusch, dann - Stille. 

Vorsichtig öffnet sie die Schlafzimmertür und sieht auch sofort den Eindringling. Obwohl sie bis zum äußersten angespannt ist, bleibt noch Zeit sich darüber zu wundern, wie er in ihr Haus eindringen konnte, obwohl alle Türen und Fenster verschlossen und. gut vergittert sind. Dann aber schießt eine Welle Adrenalin durch ihre Adern. Sie taxiert ihn: von der Größe her wird sie es mit ihm aufnehmen können. Einen anderen Vorteil hat sie auch noch: er hat sie noch nicht gesehen und macht sich weiter am Griff der Schublade ihres Schrankes zu schaffen. Mit leisen Schritten nähert sie sich vorsichtig von hinten und holt gleichzeitig entschlossen mit der Waffe aus. Im entscheidenden Moment gibt jedoch ihr Knie einen knackenden Laut von sich, was den Eindringling auf sie aufmerksam macht. Sie lässt ihre Waffe herunter sausen, verfehlt jedoch das Ziel um Haaresbreite. 

Da sie mit ihrem Körper den idealen Fluchtweg, nämlich die Tür, blockiert, wirft sich ihr Gegner in Ermangelung einer besseren Option gegen das Schlafzimmerfenster. Mit seiner ganzen Körperkraft drückt er dagegen, wohl ahnend, dass er in der Falle sitzt. „Mein Fenster“, durchfährt es sie, und kalte Wut kriecht in ihr hoch: Erst gestern hat sie es frisch geputzt und während sich der Eindringlich erneut dagegen wirft, beschließt sie, keinerlei Mitleid mit ihm zu haben. Sie hasst es nämlich, Fenster zu putzen und weiß jetzt schon, dass sie nach diesem Gemetzel unweigerlich den Putzlappen erneut schwingen muss. 

Bei der Verfolgungsjagd hat sie ihren ursprünglichen Standort an der Tür verlassen, was der Störenfried wohl auch registriert hat, da er jetzt nicht mehr versucht, durch das Fenster zu entkommen: Er hat die offenstehende Tür erspäht und macht sich jetzt eilig daran, diese neue Fluchtmöglichkeit zu nutzen. „Ohne mich, mein Freund“, murmelt sie, hebt drohend die Mordwaffe, ist mit einem Sprung bei der Tür und gibt ihr einen unsanften Stoß, so dass sie geräuschvoll ins Schloss fällt. Jetzt gerät der Eindringling in Panik und noch ehe sie reagieren kann, ist er schon wieder am Fenster, durch das er verzweifelt zu flüchten versucht. 

Hier, an dieser Stelle würde sich also die Schlussszene der tödlichen Auseinandersetzung abspielen. Angespannt taxiert sie nochmals den Gegner, der sich jetzt auf eine mögliche Flucht durch das Fenster konzentriert und sie keines Blickes mehr würdigt, holt mit der Waffe weit aus, ein kräftiger, kurzer Schlag und - getroffen. Das Opfer taumelt schwer verletzt zu Boden, hinterlässt am Fenster einen unschönen schmierigen Abdruck und bleibt reglos auf dem Teppich liegen. „Na toll“, durchfährt es sie, „hoffentlich gibt das keine bleibenden Flecken!“ Vorsichtig bugsiert sie ihr totes Opfer auf die Fliegenklatsche und befördert es nach draußen. Endlich Ruhe!

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