Von der
ganzen weitschichtigen Verwandtschaft kann unsere
Oma wirklich am besten kochen, und was sie auf den Tisch bringt
schmeckt
einfach allen ohne Ausnahme. Da ist es nicht verwunderlich, wenn das
eine oder
andere Familienmitglied gern gewusst hätte, wie das jeweilige
Lieblingsgericht
genau zubereitet worden war. Erkundigt man sich nun bei der Oma nach
dem
betreffenden Rezept, so gibt sie es preis, ohne ein großes
Geheimnis daraus zu
machen. Ausgerüstet mit Block und Stift setzt man sich also neben
sie, fragt
nach den Zutaten und bekommt auch sogleich die gewünschten
Informationen. Sie
freut sich sogar darüber, wenn sie nach einem Rezept gefragt wird,
besitzt aber
selber kein Kochbuch oder eigene Aufzeichnungen.
Erst
kürzlich bat ich sie um das Rezept für die heiß
geliebten
Buchteln. „Also“, begann sie, „da nimmst du etwas
Mehl“, doch an dieser Stelle
musste ich sie leider schon unterbrechen: „Aber wie viel denn,
Oma?“ „Ja also,
du musst die große Tasse, die in meinem Mehlsack steckt, dreimal
voll machen“.
Ich schrieb „drei Tassen, siehe Mehlsack Oma.“ Die Oma
kauft nämlich immer ihr
Mehl in halben Zentner-Säcken vom hiesigen Müller.
„Dann“, so fuhr sie fort „vier
Hand voll Zucker.“ „Halt, Oma, langsam“, unterbrach
ich sie zum zweiten Mal,
während ich schnell kritzelte und mir gleichzeitig überlegte,
wie groß die
Hände der Oma wohl waren und dass ich sie hinterher unbedingt noch
vermessen
sollte. „Du brauchst dann auch noch einen „Schtruz“
Milch. „Einen was? Einen
‚Schtruz’?“, gab ich erschreckt von mir.
„Schtruz“ hatte ich nun wirklich noch
nie gehört. Ich hätte bei ‚“Schtrutz“ auf
irgendein Wesen aus der Sagenwelt
getippt und nicht auf eine hiesige Mengenangabe. Gehorsam schrieb ich
aber „Schtruz
Milch“, um meine liebe Oma ausreden zu lassen. „Und“,
so fuhr sie unterdessen
fort „vier Eier.“ Ich beruhigte mich etwas, da mir diese
Einheit doch wieder
gut bekannt war. „Auf keinen Fall darfst du vergessen, ‚a
Drepfl‘ geschmolzene
Butter dazuzugeben.“ Der Tropfen, das Tröpfchen, das
„Drepfl“, na, viel konnte
das ja nicht sein, dachte ich mir. „Oma, sag mal“, schnitt
ich ihr nun aber
trotzdem das Wort ab. „Wie viel ist denn so ‘a
Drepfl‘?“ „Naja“, meinte sie,
gar nicht böse, dass ich immer wieder dreinredete, „du
kennst doch meinen
kleinen roten Topf, den emaillierten, du weißt schon. Der Boden
davon sollte
gut bedeckt sein.“ Eifrig schrieb ich ‚roter Topf, Boden
bedeckt’ und fragte
mich gleichzeitig, wie ich dieses roten Topfes unauffällig habhaft
werden
konnte. Ich hatte nämlich das dumpfe Gefühl, dass das Rezept
ohne diesen Topf
nicht gelingen würde. „Ins Mehl gibst du noch eine Prise
Salz“. Perfekt, Prise
war mir wohlvertraut. Prise Schnupftabak, Prise Kokain, oder war das
doch eher
eine Spur? Egal. Oma fuhr schon wieder fort, höchste Konzentration
war also
angesagt. „Natürlich darfst du die Hefe nicht vergessen. Da
nimmst du halt ‚a
bissl‘ davon.“ Sie bemerkte mein Zögern. „Naja,
‚a Driml‘ halt“, und sie machte
mit den drei Fingern ihrer rechten Hand eine vage Andeutung eines
Hefebrockens.
„Das merkst du dann schon, wenn du den Teig vor dir hast.
Geschmeidig muss er
sein und vom Schüsselrand soll er sich gut lösen. So, und
wenn du gemahlene
Nüsse im Haus hast, dann gibst du noch welche dazu.“ Ich
blickte meine
Großmutter an: „Und Oma, wie viel denn, was meinst du,
reichen zwei Hand voll?“
Das hatte ich natürlich nur gesagt, um zu vermeiden, dass sie noch
eine weitere
verwirrende Maßeinheit verwenden würde. Oma blickte mich
lächelnd an, weil sie
sich über meine Fortschritte in der bayerischen
Maßeinheitslehre freute und
sagte: „Ja, das müsste reichen. Das siehst du dann
schon.“
Da ich aber
sehr genau wusste, dass ich von einem „Schtruz“,
einem „Drepfl‘ und einem „Driml“ keine
brauchbaren Buchteln erhalten würde,
bearbeitete ich meine Oma solange, bis wir zusammen in ihrer Küche
standen,
bereit zum Backen. Es war schwierig, doch meine Oma bewies
Durchhaltevermögen.
Der „Schtruz“ musste in eine gängige Maßeinheit
wie z.B. Milliliter umgewandelt
werden. Dazu hielt ich einfach den Messbecher in die Teigschüssel
und wenn sie
zum Teig die Milch geben wollte, fing ich den „Schtruz“ in
meinem Behältnis
auf. Ähnliches machte ich mit dem „Drepfl“ und dem
ominösen „Driml“. Wussten
Sie, dass ein „Drepfl“ geschmolzene Butter 94 g sind? Und
dass ein „Schtruz“
123ml entspricht, manchmal aber auch durchaus 168 ml betragen kann (je
nach
dem, das kommt halt drauf an)? Als meine Großmutter die zwei Hand
voll Nüsse in
den Teig gab, und ich diese sicher in der Schüssel
für die
Waage auffing,
seufzte Oma zwar schwer, ließ mich aber gewähren. Sie war
dann wirklich
heilfroh und etwas erschöpft, als die fertigen Teigteile endlich
im Ofen waren.
Jetzt werden Sie mich bestimmt fragen, für wie viele Minuten die Buchteln denn im Ofen bleiben müssen, bis sie fertig sind. Na, ich würde sagen, bis sie halt gut Farbe angenommen haben, aber zu dunkel sollten sie nicht werden. Ach, das werden Sie dann schon sehen!